TOLLENSETALER STIMME
Montag, 16. Dezember 2013
Ausgabe 4 / Dezember 2013
ausgabe3dez2013 (pdf, 1,173 KB)
„Dumm sein und Arbeit haben: das ist das Glück.“ Gottfried Benn

WEITERHIN IN DIESER AUSGABE:
WEIHNACHTSBRATEN 2
SCHINDLUDER 3
ZUR BESINNUNG 4
ZWISCHENBILANZ 5
KULTURKONSUM 6
ZEICHEN DER HOFFNUNG 7
EINGEFRORENE FÜSSE 8
BERÜHRUNG DER ZUSCHAUER 9
ERNTE EINGEFAHREN 10 - 11
ALLERLEI 12

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Von der Tagesmutter zur Politikerin – Ist es oft weniger als ein Schritt
Zum Interview mit Susi Wiest in der Ausgabe 3/2013

Um sich zur Bundestagswahl zu stellen, muß man das herrschende System nicht nur in all seiner Güte verinnerlicht haben, nein, man muß es auch gutheißen.
Beides möchte ich im folgenden am Statement von Frau Wiest begründen. (Einen Vorwurf, etwas aus dem Zusammenhang gerissen zu haben, möge man mir ersparen. Es gibt in demokratisch verfaßter Herrschaft Zusammenhänge, die kann man gar nicht lösen.)

„Wir brauchen hier alle eine finanzielle Basis, um was machen zu können auf dem Land.“

Daß Geld das Lebensmittel für jedermann ist, wird fraglos hingenommen. Warum das so ist und daß die Gründe für dieses Ausgeliefertsein zu verändern wären – von grundauf Fehlanzeige. Nur mit Geld kann man (auf dem Land) was machen, das wußte schon meine Großmutter.

„Die Schweineanlage, die hier eigentlich wie ein Ufo gelandet ist.“

Moment, was hat die Frau gegen Ufos? Zu viel Westfernsehen gekuckt? Angst vor Fremden? Sind Fremde unsere Feinde? Nur Gewalt und Schrecken von jenseits der Außengrenzen zu erwarten? Sie selbst würde selbstverständlich freundlich auf einem anderen Planeten landen. Alle anderen Galaxisbewohner träumen jedoch von „tiefer Zerstörung“, „vergifteter Landschaft“ – haben die auch zu lange vor der Glotze abgehangen? Westfernsehen empfängt man weißgott jetzt schon in schlappen 60 Lichtjahren Entfernung jenseits von Bautzen. Gebührenfrei.

„Es sind keine Arbeitsplätze in erwähnenswerter Anzahl entstanden.“

Oh je. Ja, mensch, es hätten ruhig paar Dutzend mehr sein können da in der Ferkelfabrik! Oder bei Heckler und Koch oder bei Airbus oder bei SAP. Und Lohnarbeit muß einfach sein. Ohne die würde die Menschheit glatt zugrunde gehen. Und nur „unsere“ Unternehmer und Politiker in trauter Gemeinsamkeit schaffen welche (wenn sie sich denn lohnen)! Für den übergroßen Rest von Vollspacken auf 2 Beinen, die allein ja nix geregelt kriegen. Kniet nieder, dankt für jeden Arbeitsplatz!

„Kleinere Betriebe, Bauernhöfe, die nicht nur einfach Ressourcen verbrauchen.“

Ach ja? Würden kleinere Buden neben ihrem Profit sogar einfach noch Ressourcen schaffen? Sollte VW nicht abgewickelt werden, in kleine Handwerksbetriebe überführt? Sollte Vattenfall nicht verstaatlicht werden, daß jeder alte Schwede nicht nur seinen Eimer voll Kohle schaufelt, sondern hinter sich noch ein Windrad pflanzt? Sollten Pharmariesen zu Klosterzwergen rückgebaut werden? Profitiert der Tourie mehr in einer Fewo oder in einem Hotelkomplex? Hm.

„Für mich ist Staat ein Zusammenschluß von Bürgerinnen und Bürgern.“

„Zusammengeschlossen“ – das klingt ja schon ganz ordentlich, fast wie „einsitzen“!
Es mag ja sein, daß es für Frau Wiest so ist: „Der Staat sind wir!“, ihr gefühlter Wissensstand also seit dem Sozialkundepflichtunterricht in der Schule der gleiche geblieben ist. Jedoch werden „Bürger“ in Herrschafts- und Gewaltstrukturen hineingeboren, sind also per se Insassen. Und deren fetten Möglichkeiten des Gestaltens erläutert Frau Wiest selber weiter unten.

„Das haben wir völlig aus den Augen verloren.“

Ja, „wir“... Und wie dumm von uns! Wie blind! Aber ab morgen werden wir wieder dran denken und zwar ganz doll: Hinkucken, Augen auf! Und schon ist es „unser“ Staat! Unsere Wehrmacht! Unser Volkseigentum! Unser BND!
Offenbar ist die tägliche Erfahrung der Bürger mit den für sie vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten, nichts, aber auch gar nichts an ihren Lebensbedingungen selbst einrichten zu können, nicht in der Lage, implantierte staatsbürgerliche Überzeugungen infrage zu stellen.

„Wenn wir uns alle zusammen dafür entscheiden, so ein System einzuführen (des BGE)“

Dito. „Wir“. Es gibt keine dem entgegenstehenden Interessen, die auf dem ganzen Planeten mit aller staatlichen Gewalt durchgesetzt werden. Nein! Wir brauchen uns alle (es gibt keine Klassen, keine Besitzenden und Besitzlosen, keine Machthaber und Machtlosen, keine Militärmaschinerien und zugerichtete Rohstoffländer, keine gnadenlose ökonomische Konkurrenz uswusf) einfach nur entscheiden, wir Dummchen! Für ein System. Ah ja!

„Wir müßten uns eigentlich entscheiden zwischen Mensch oder Maschine.“

Müßten wir? Eigentlich? Können wir etwa nicht? Ts ts ts. Nicht daß es eine Rolle spielen könnte, welchem Zweck Maschinen dienen. Na los, entscheide dich endlich! Jetzt!
Na, geht doch.

„Mir geht es darum, ein ganz normales Leben irgendwie zu stärken.“

Ja, so ein ganz normales Leben, Zeitung zum Frühstück und frische Brötchen, ein Auto, das nicht immerzu kaputtgeht, ein „erwähnenswerter“ Arbeitsplatz irgendwo, genug Zeit und Geld an der Kaufhallenkasse, sonnabends ein Fick, falls nichts im Fernsehen kommt, Urlaub in bettler- aber freier Zone. Irgendwie. Ja irgendwie dann im Bundestag, irgendwie so ganz normal. Aber stark!
Denn, nun ja, die arme Frau kann an der Kaufhallenkasse gar nicht mehr auf Seelsorgemodus für die Kassiererin umschalten, es geht alles viel zu schnell, so völlig grundlos gehetzt! Wer kann noch die normalen Gespräche von Frau zu Frau da an der Kasse über die Kinder führen z. B. (die bei mir Tagesmutter so was von gut aufgehoben wären, nicht wahr) – denn dazu sind ja Kaufhallen da, oder etwa nicht. Jedenfalls früher, da plünschte man im Laden, da war Zeit, als die Welt noch in Ordnung war, die Konkurrenz ums Geld erst auf Level 7 unterwegs.

„Ich kann meine Sicht der Dinge veröffentlichen, das finde ich ziemlich wichtig.“

Nun ja, es gibt sie nicht mehr, die schweigende Mehrheit. Daraus wurde die nichtssagende Mehrheit.
Und hinein in die Reihe der unendlichen subjektiven Meinungen, hepp, willkommen! „Meine Sicht der Dinge,“ hach ja, genau auf die kommt es entscheidend aber auch belanglos an.

„Ich finde es wichtig, daß es ein freies Medium bleibt.“

War es denn je eines? Mußte man nicht zumindest Kohle haben, um sich einen Rechner leisten zu können oder welche für den Netzzugang haben? Mußte nicht zumindest in der Nähe eine Bibliothek oder so was rumstehen, für einen öffentlichen Zugang? Mußte sich ein Land die Infrastruktur überhaupt erst einmal leisten können?
Offenbar kostet das „freie“ Internet. Etwas, das sich nicht jeder hat. Neben der Fähigkeit, lesen und schreiben zu können.
Welche realen Auswirkungen hat das Internet nebenher? Glaubt sie an Facebook-Revolutionen und E-Petitionen?
Sollten die Chinesen, die in den völlig verwüsteten Landstrichen hausen, in denen freie seltene Erden für HighTech abgebaut werden, in den Erhalterkreis des Grundeinkommens einbezogen werden?
Und hat sie einen Schimmer davon, daß die Server in den USA etwa die Hälfte des erzeugten freien Stroms dort verbraten? Tendenz überall in den Industriestaaten steigend. Bedingungslose Energiewende! Öko! E-Bikes! Mülltrennen! Aber auch Freiheit!

„Da ist die Stasi Fliegendreck.“

Aber sonst unvergleichlich. Höchstens mit Hitler.

„Wählen gehen ist das einzige, was wir gerade an konkreter politischer Mitgestaltung machen können.“

Sie sagt es. Kreuze machen als politische Mitgestaltung. Nun ja, immerhin kann man dabei ganz fest aufdrücken oder mit Kringeln drumrum das Bekreuzigen verschönern. Mehr ist „gerade“ nicht. Als ob Demokratie als perfekte bürgerliche Herrschaftsform was anderes vorgesehen hätte! In „unserem“ Staat.

„Merkels Politikstil trägt zur Politikverdrossenheit bei. Es wird nicht erklärt, was passiert. Ich fühle mich für dumm verkauft. Man bekommt nicht die nötigen Informationen.“

Ja, wenn man doch dem Volk besser erklären würde, wo es sich drein zu schicken hat! Mit mehr Informationen würde ich die garstigen „alternativlosen“ Sachzwänge, die passieren, viel eher hinnehmen können.
Und dabei labern alle Medien incl. Internet ununterbrochen Erklärungen. Frau Wiest hat eine so große Auswahl, unterm Strich sogar ausgewogen, du glaubst es nicht! Und so hört sie sich auch an.
„Politikverdrossenheit“ – seltsamerweise haben die Regierenden dies Wort erfunden, in der Propagandaabteilung. Mit den jeweiligen Maskenträgern in der Politik und ihrem Stil darf man durchaus auch unzufrieden sein, sollte es von Zeit zu Zeit sogar. Nichts gegen Personalwechsel in der Demokratie.
Daß die Unzufriedenheit vielleicht vom Kapitalismus und seinen Beglückungen herrührt – bloß keine Rede davon! Ja, die Frau hätte in den Bundestag gehört, sie paßt schon jetzt nahtlos.

„Wie läuft es im Bundestag, dann kann ich überlegen, was kann man ändern, damit es besser wird.“

Besser herrschen und regieren! Verschleißärmer. Ruhiger. Ordentlicher. Mit noch viel mehr Erklärungen in der Bild-Zeitung und im Internet!
Huh, hoh, waber... Bundestag, der unbekannte Planet – was mag da abgehen?

„(Parteien)Konkurrenz dient nicht dem Thema“

Ah ja. Wir brauchen die Einheitspartei des Volkes. Oder etwa gar keine Parteien mehr? Also ein anderes Grundgesetz? Oder geht’s gar auch ohne Verfassung? Und ohne Staat?
Nun mal langsam – denn ohne Staat gibt es ja auch kein „Volk“ mehr, keine „Bürger“. Wir wären dann einfach weg! Nicht mehr da! Und es braucht doch die Deutschen. Als Empfänger eines Grundeinkommens.
Oder welche Themen waren das nochmal? Bankenrettung, daß überhaupt Kohle fürs BGE da ist; Nachtsichtgeräte für Frontex, damit es nicht mißbraucht werden kann und ein freies Internet, daß die Somalies, Ukrainer, Tschechen und wie sie alle heißen, lernen können, wie man richtig wählt..
Wer gibt denn die Themen vor?

Irgendwer ruft „Grundeinkommen! Bedingungslos! Für alle (Deutschen)!“ und schon verdrehen arme, angespannte Leute hoffnungsvoll die Augen und wählen vielleicht Frau Susanne Grundeinkommen Wiest.
Ach, wenn es doch 5 % gewesen wären! Dann wäre alles alles gut. In der Besten der Welten. Weil alles so weitergehen könnte wie bisher.

Roland Gorsleben, Nichtwähler aus Zarnekla

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Leitsatz
Neben "Dumm sein und Arbeit haben - das ist Glück" waren noch vorgeschlagen:
„Das Spiel mit der Wirklichkeit ist die höchste Form ihrer Aneignung.“ (Gerhard Branstner) und
„Eigentum verpflichtet. Zu Diebstahl.“ (von mir).

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